„So kompliziert ist es nicht“: Politischer Abend 2024 zur Berliner Jugendstrategie
Berlin braucht eine Jugendstrategie. Dann hätten alle politischen Ressorts junge Menschen besser auf dem Schirm. Wie sieht der Weg zu einer Jugendstrategie aus und warum ist sie so wichtig? Darum ging es am 14. Oktober 2024 beim Politischen Abend des Landesjugendring Berlin.
„Wo hat die Politik Jugendliche nicht mitgedacht?“ Auf bunten Gesprächskarten liegt diese Frage auf sieben Tischgruppen beim Politischen Abend im bUm in Kreuzberg parat. Rund 100 Gäste haben sich an den Tischen verteilt – eine bunte Mischung an Leuten aus Jugendverbänden, Politik, Verwaltung und Fachpublikum ist heute Abend gekommen. Die Einstiegsfrage zu beantworten fällt den wenigsten schwer: „Bei Kürzungen für Klassenfahrten, beim ÖPNV, in der Drogen- und Wohnpolitik“ melden sie zurück. „Es wird generell viel zu oft über statt mit jungen Menschen geredet“, beklagt eine Teilnehmerin.
Lena und Fabi, die beiden Vorsitzenden vom Landesjugendring Berlin, bestätigen diese Aussage in ihrem Input. Lena sagt: „Es gibt aktuell so viele Krisen, die Jugendliche ganz direkt betreffen. Bei den gefällten politischen Entscheidungen haben sie leider ständig das Gefühl, nicht wahrgenommen worden zu sein.“ Diesen Zustand belege auch die Trendstudie Jugend in Deutschland 2024. „Wir brauchen endlich mehr Möglichkeiten zur Mitbestimmung und wir müssen die Themen junger Menschen viel besser wahrnehmen und was draus machen“, fordert die Vorsitzende.
Mit einer Jugendstrategie gegen Frust und Unsicherheit
Diese Wahrnehmung zieht sich auch durch die anschließende Panel-Diskussion. „Die Unsicherheit unter jungen Menschen ist aktuell enorm“, sagt Sarah Schulz von Gangway. „Zur Inflation und der Wohnkrise kommen auch noch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Das sind alles drängende Themen für junge Menschen.“ Jana Pohl aus dem Landesjugendring-Vorstand bestätigt das: „Jüngere sind oft noch viel besser informiert als Erwachsene, die bloß einmal am Tag die Tagesschau sehen.“ Jugendliche bekämen oft viel direkter mit, was in ihrem Umfeld passiert, grade über soziale Medien – bspw. queerfeindliche, rassistische oder sexistische Übergriffe auf der Straße. „Weil kaum jemand auf ihre Sorgen und Ängste reagiert, sagen sich viele: Mir hört ja eh niemand zu, ich schluck‘s einfach runter“, beklagt Jana, die sich bei den Berliner Falken engagiert.
Erwachsene müssen die Jugend viel mehr als eigenständig wahrnehmen, betont Nils Rusche von der Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik beim Politischen Abend: „Jugendliche sind nicht nur da, um in Zukunft Erwachsene zu sein und dann erst wichtig zu werden. Sie brauchen jetzt schon gute Lebensbedingungen.“ Dafür müssten alle politischen Ressorts an einem Strang ziehen. „Jugend spielt in allen politischen Häusern eine Rolle. Viele wissen das nur noch gar nicht“, so Rusche. Daher brauche es eine Jugendstrategie. Junge Menschen müssen spüren, dass sie berücksichtigt werden, um nicht mit einem Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht von Politik frustriert zu werden.
Wie kommen wir denn jetzt zu einer Berliner Jugendstrategie?
Das Ziel einer Jugendstrategie: Kinder und Jugendliche bei allen Entscheidungen in allen politischen Ressorts mitzudenken - egal ob es dabei um Wohnen, Mobilität, Stadtplanung, Arbeit, Kultur oder Sicherheit geht. Denn jede einzelne Entscheidung der Politik hat auch immer ganz direkte Auswirkungen auf das Leben junger Menschen. Damit junge Berliner_innen gut aufwachsen können, müssen alle Ressorts für gute Rahmenbedingungen sorgen und zusammenarbeiten.
Unterschiedliche Instrumente können den Weg zur Jugendstrategie ebnen, von einer interministeriellen Arbeitsgruppe des Senats mit begleitendem Beirat über regelmäßige Kinder- und Jugendberichte und den Jugend-Check bis zum Senatsbeschluss. „Eigentlich ist das alles gar nicht so kompliziert“, sagt Fabi. Der Landesjugendring Berlin hat die einzelnen Schritte in einem Dossier auf seiner Website aufbereitet.
Von Wohnen bis soziale Sicherheit: Alle Ressorts sind gefragt
An den Thementischen beim Politischen Abend geht es nach der Diskussion genau um die einzelnen Felder, bei denen junge Menschen viel mehr berücksichtigt werden müssen. Ob Wohnen, Ausbildung, Klimawandel, Diskriminierung oder Armut: Junge Menschen berichten auf diesen Gebieten von ihren Problemen, Erfahrungen und ihrem Engagement. Spätestens jetzt sollte allen Teilnehmenden des Politischen Abends klargeworden sein, warum eine Jugendstrategie nicht einfach nur bei der Jugendverwaltung abgeladen werden kann – sondern warum alle politischen Felder zusammenarbeiten müssen.
Gerade in den Austauschrunden wird deutlich: Eine Jugendstrategie ist dringend nötig. Ansonsten werden Interessen und Bedürfnisse junger Menschen zu oft ausgeblendet oder vergessen. Es ist an der Zeit, dass die Regierung von CDU und SPD ihre Ankündigung aus dem Koalitionsvertrag angehen – und die Berliner Jugendstrategie nun endlich auch umsetzen. Ein Vorschlag, welche Schritte dafür aufeinander folgen müssten, liegt seit dem Politischen Abend jedenfalls auf dem Tisch.
Alle Informationen zur Berliner Jugendstrategie:
ljrberlin.de/jugendstrategie
Fotos: © LJR Berlin / Weeteng Poh