Nahaufnahme eines Händedrucks eines Arms mit schwarzem Pullover und eines Arms mit rotem Pullover

"Jugend" im CDU-SPD-Koalitionsvertrag: Was steht drin? Was fehlt?

Wahlalter 16, Jugendstrategie, Jugend-Check, FSJ: Was steht zu diesen Punkten im neuen Koalitionsvertrag von CDU und SPD? Wir haben reingeschaut, was die designierte neue Regierung bei den jugendpolitischen Fragen vorhat - und was fehlt.

Wahlalter 16

Schon während der Sondierungen sickerte durch, dass die Berliner CDU die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre gemeinsam mit der SPD mittragen und voranbringen könnte. Zuvor hatte die Berliner CDU bei dem Thema stets gemauert. Offenbar hat die SPD das Herzensthema verteidigt, das eigentlich die alte Regierung noch 2022 beschließen wollte. Im CDU-SPD-Koalitionsvertrag heißt es nun:

„Zur Einführung des Wahlalters 16 werden verfassungsändernde Mehrheiten im Parlament ausgelotet und schnellstmöglich umgesetzt.“

Die Oppositionsparteien Bündnis90/Die Grünen und Die Linke haben bereits signalisiert, dass sie bei einer Abstimmung über Wahlalter 16 bereit stehen. Denn ohne die Opposition geht es nicht. Bis Ende Juni 2023 soll der Antrag durchs Parlament, heißt es. Für Wahlalter 16 braucht es eine Verfassungsänderung und die gibt es nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Das neue Parlament hat 159 Abgeordnete, die Zweidrittelmehrheit liegt also bei 106 Stimmen. Diese Konstellationen haben die nötige Mehrheit:

  • CDU, SPD und Grüne haben zusammen 120 Stimmen
  • CDU, SPD und Linke haben zusammen 108 Stimmen
  • CDU, SPD, Grüne und Linke haben zusammen 142 Stimmen

Jugendstrategie

Unsere Forderung nach einer ressortübergreifenden Berliner Jugendstrategie stand bereits im Koalitionsvertrag der rot-grün-roten Regierung. Und hier sind bereits einige Schritte gegangen worden, unter anderem von der Senats-Initiative „Jugend. Macht. Demokratie.“ Erst Ende März hat das Gremium seinen Abschlussbericht vorgestellt. SenBJF-Staatssekretär Aziz Bozkurt betonte darin: „Die Jugendstrategie birgt die Chance, dass wir der Jugend endlich mit greifbaren und grundsätzlichen Maßnahmen die Rolle zuerkennen, die ihren berechtigten Ansprüchen gerecht wird.“

CDU und SPD wollen die Entwicklung einer Jugendstrategie für Berlin nun offenbar fortsetzen, denn im Koalitionsvertrag heißt es: „Die beim Gipfel gegen Jugendgewalt erarbeiteten Maßnahmen werden wir umsetzen. Dazu gehört ein ressortübergreifendes Steuerungsgremium, um die Berliner Jugendstrategie zu entwickeln und umzusetzen.“

Mehr Hintergrundinfos zum Thema gibt es unter ljrberlin.de/jugendstrategie-berlin.

Jugendcheck

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist auch ein Satz zu einem geplanten „Jugend-Check“ zu finden: „Wir setzen uns dafür ein, die Partizipationsrechte junger Menschen auch auf Landesebene zu stärken und erarbeiten ein Konzept zur Einführung und Umsetzung eines „Jugend-Checks“.

Was ist ein „Jugend-Check“ überhaupt?

Mit Hilfe eines Jugend-Checks würden alle Gesetzesvorhaben auf ihre Auswirkungen auf junge Menschen durchleuchtet. Auf Bundesebene und in einigen Bundesländern gibt es das schon. In der Praxis kann ein Jugend-Check so aussehen: Immer wenn der Senat oder eine Fraktion einen Gesetzentwurf ins Abgeordnetenhaus einbringen will, müssen sie eine Gesetzesfolgenabschätzung vorlegen, welche Auswirkungen ihr Gesetz auf Kinder und Jugendliche haben könnte. Erstellt wird diese Beschreibung von einer unabhängigen Prüfstelle. Diese Beschreibung muss den Gesetzentwürfen beigelegt werden, die ins Parlament eingebracht werden. Das Gesetz kann dann entsprechend der Empfehlung angepasst werden. Es kann zwar auch immer noch unverändert durchgebracht werden, aber die Politik kann dann später nicht mehr sagen, sie hätte ja gar nicht gewusst, welche negativen Folgen das Gesetz für Kinder und Jugendliche hat. Der Jugendcheck schafft somit eine gewisse Transparenz und ein Bewusstsein dafür, dass Kinder und Jugendliche von Gesetzesänderungen in allen möglichen Ressorts direkt betroffen sind.

Freiwilliges Soziales Jahr

Seit Sommer 2022 gibt es bereits eine Landesförderung von 120 Euro pro Freiwiligendienstleistender_m, um die Taschengelder der Freiwilligen im Sozialen Jahr zu erhöhen. Damit sollte auch die Paygap zu anderen Diensten wie dem FÖJ oder dem Bundesfreiwilligendienst geschlossen werden, wo es bereits deutlich mehr Taschengeld gab. Die neue Koalition möchte das FSJ weiter stärken, wie aus ihrem Vertrag hervorgeht: „In Zusammenarbeit mit allen Akteuren werden wir konzeptionelle Maßnahmen ergreifen, um das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) für alle jungen Menschen gleichermaßen zu öffnen und die finanzielle Gleichstellung der Freiwilligendienste aller Themenbereiche prüfen.“

Es ist wichtig, dass die finanzielle Gleichstellung der unterschiedlichen Dienste weiter sichergestellt werden soll. Ein wichtiger Punkt ist auch, das FSJ „für alle jungen Menschen gleichermaßen“ zu öffnen. Das ist de facto bislang nicht der Fall. Vielmehr ist es derzeit ein Privileg, einen Freiwilligendienst zu leisten. Bei einem Taschengeld von etwa 500 Euro können sich viele junge Menschen das FSJ nur mit Unterstützung der Eltern leisten. Dazu ist es inzwischen praktisch unmöglich geworden, mit dem Taschengeld bezahlbaren Wohnraum für die Dauer des Dienstes zu finden.

Was steht sonst noch drin?

Darüber hinaus will die Koalition Angebote der Jugendsozialarbeit stärken, Jugendfreizeiteinrichtungen bei der Digitalisierung unterstützen, mehr Plätze in der stationären Jugendhilfe finanzieren und unbegleitete minderjährige Geflüchtete besser unterstützen. Der Jugend-Demokratiefonds soll weiterentwickelt werden.

Was fehlt im Koalitionsvertrag?

Es überrascht, dass das Thema „Außerschulische politische Bildung“ im Koalitionsvertrag fehlt. Vor der Wahl hatte die CDU immer wieder darauf gedrungen, dass eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre überhaupt nur denkbar wäre, wenn gleichzeitig die politische Bildung für junge Menschen ausgebaut würde. Die SPD hatte im letzten Koalitionsvertrag eine „Offensive politische Bildung“ angekündigt. Gerade Jugendverbände und Jugendbildungsstätten sind hier wichtige Akteure, wenn es um die Entwicklung von politischer Urteilsfähigkeit und Handlungsfähigkeit geht als Grundlage unserer demokratischen Gesellschaft – nicht zuletzt als Prävention gegen Gewalt und Populismus.

Zudem gibt es, anders als in den letzten Koalitionsverträgen, kein klares Bekenntnis dazu, freie Träger wie bspw. Jugendverbände so zu fördern, dass sie ihr Personal tarifgerecht bezahlen können. Gerade angesichts der zu erwartenden deutlichen Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst im Herbst diesen Jahres wäre es für die Jugendhilfe verheerend, wenn die Zuwendungen nicht, wie in den letzten Jahren,  an die Tarifentwicklungen angepasst werden würden. Dies würde zu einer deutlichen Verringerung der Angebote führen.

Der Koalitionsvertrag zum Download und zur Ansicht: