"Es tut nicht weh, ehrenamtliches Engagement zu unterstützen"

Die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin ist ein gutes Vorbild für andere Berliner Hochschulen: Studierende können ehrenamtliches Engagement hier mit Credits anrechnen lassen. Festgelegt ist das in der Rahmenstudien- und -prüfungsordnung für BA/MA (Seite 60f). Über die Anerkennung von ehrenamtlichem Engagement an der Hochschule haben wir mit Prof. Dr. Klaus Semlinger gesprochen, dem Präsidenten der HTW Berlin.

Die Rahmenstudienordnung der HTW Berlin bietet Möglichkeiten, dass Studierende ihr ehrenamtliches Engagement mit Leistungspunkten anrechnen können. Ein ähnliches Modell haben wir bei anderen Berliner Hochschulen nicht gefunden. Was hat Sie dazu bewogen, die Regelung in Ihrer Hochschule einzuführen und wie ist es dazu gekommen?

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr, von welcher Seite der Impuls kam. Aber wir wissen von unseren Studierenden, dass sich viele wünschen, sich im Rahmen ihres Studiums gesellschaftlich engagieren zu können. Und das wollten und wollen wir als Hochschule unterstützen. Nach Umstellung auf die neuen Bachelor-/Masterabschlüsse hatten wir als Hochschulleitung deshalb bereits 2010 eine entsprechende Richtlinie erlassen. Als wir uns dann im Jahr 2012 eine neue Rahmenstudien- und Prüfungsordnung gegeben haben, wurden diese Regelungen darin aufgenommen. Tatsächlich ist es ja auch so, dass man im Ehrenamt vieles lernen kann – nicht zuletzt im überfachlichen Bereich – was auch Ziel eines Studiums ist.
 
Warum ist es Ihnen und Ihrer Hochschule so wichtig, das Engagement Ihrer Studierenden auch mit Leistungspunkten anzuerkennen?

Ein Vollzeitstudium entspricht von der zeitlichen Bindung her einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis. Viele Studierende gehen parallel dazu aber auch noch einer Erwerbsarbeit nach. Dann kann die Zeit für ehrenamtliches Engagement knapp werden. Gleichzeitig geht es uns ja um ein anwendungsorientiertes Studium, und warum soll die praktische Übung nicht auch im ehrenamtlichen Engagement im zivilgesellschaftlichen Bereich stattfinden? Wichtig ist, dass Kompetenzen erworben und nachgewiesen werden, die den Studienzielen entsprechen, dann steht einer Anrechnung auf entsprechende Module auch nichts im Wege.
 
Denken Sie andere Hochschulen sollten da nachziehen und Ehrenamt mit Credits anerkennen? Tut es denn weh, sich für ehrenamtlich engagierte Studierende einzusetzen?

Ich denke, auch andere Hochschulen sind hier bereits offen und einschlägig aktiv. Und es tut auch nicht weh, entsprechendes Engagement zu unterstützen. Aber wie gesagt, bei der Anrechnung geht es nicht um das Ehrenamt als solchem, sondern um die Kompetenzen, die dabei erworben werden. Die müssen mit den Lernzielen des jeweiligen Studiengangs korrespondieren. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Eine große Wettkampfveranstaltung für einen Sportverein mit allem Drum und Dran zu organisieren mag in einschlägigen Studiengängen anrechenbar sein – die Mithilfe bei der Wasserausgabe oder eine Tätigkeit als Streckenwart nicht. Es ist also nicht ganz trivial, immer die nötige Passfähigkeit herzustellen bzw. festzustellen. Mehr Spielräume gibt es da nur im Allgemeinwissenschaftlichen Ergänzungsstudium/Studium Generale. Am besten funktioniert das, wenn Hochschullehrer_innen und Studierende im Rahmen des Projektstudiums oder bei der Themensuche für Abschlussarbeiten geeignete Aufgabenstellungen im entsprechenden Kontext suchen und angehen.
 
In Berlin gibt es bislang keine Regelung, sich verbindlich vom Studium bzw. einzelnen Seminaren für ehrenamtliches Engagement freistellen lassen zu können, z.B. um die Osterfreizeit im Jugendverband betreuen zu können. Warum kann man das auch an der HTW Berlin nicht?

Im Studium geht es darum, dass ein bestimmtes Portfolio an Wissen und Kompetenzen vermittelt bzw. erworben wird. Da klagen so manche Studierende schon, dass das zu viel ist für die vorgegebene Zeit. Einfach freistellen vom Studium und anrechnen geht da nicht. Ehrenamt findet ja in der Regel auch in der Freizeit statt. Wenn die zu knapp ist, muss man ggf. das Studium zeitlich strecken oder den Nebenjob einschränken. Allerdings sieht das Berliner Hochschulgesetz leider nicht vor, dass man aufgrund ehrenamtlichen Engagements in ein Teilzeitstudium wechseln kann.

Was halten Sie von der Idee, Qualifikationen und Kenntnisse, die junge Menschen im Ehrenamt gesammelt haben, auch im Bewerbungsprozess für ein Studium zu berücksichtigen bzw. inwieweit geschieht das an der HTW Berlin schon?

Die Idee ist nicht neu, sondern seit 2011 Gesetzeslage in Berlin: Bis zur Hälfte der in einem Studium zu erbringenden Leistungspunkte sind so anrechenbar – aber eben nur, wenn dafür Kompetenzen nachgewiesen werden können, die den Zielen eines Studiengangs, das heißt in Praxis: den Zielen konkreter Module, entsprechen. Solche Anrechnungen gibt es an der HTW Berlin, allerdings nicht in diesem Umfang und auch nicht sehr häufig, weil die Schnittmengen des Kompetenzerwerbs in Ehrenamt und Studium halt nicht so groß sind, zumal die fachlichen Kompetenzen im Studium doch im Vordergrund stehen. Häufiger kommt es dagegen vor, dass diese Fachkompetenzen in zivilgesellschaftlichen Projekten im Rahmen ganz regulärer Lehrveranstaltungen entwickelt und eingebracht werden. Ich kann den Mitgliedern des Landesjugendrings nur empfehlen, mit solchen Projektideen den Kontakt zur Hochschule aufzunehmen – gerade wir Fachhochschulen suchen immer nach Praxispartnern für anwendungsnahe Lernprojekte.

Waren Sie je ehrenamtlich engagiert oder sind es bis heute? Haben Sie sich auch als Student ehrenamtlich eingebracht?

​Ja, ich bin in verschieden Beiräten ehrenamtlich tätig, und als Student habe ich mich in der Fachschaft und in den Hochschulgremien engagiert. Und wir hatten in meinem Volkswirtschaftsstudium aus einem Seminar heraus eine studentische Arbeitsgruppe gegründet, die neben dem Studium über mehrere Semester hinweg eine Kritik der damaligen Wirtschaftsförderung in (West-)Berlin erarbeitet hat – eine nicht bestellte und nicht bezahlte, dann aber doch durchaus vielbeachtete Studie, die – ich muss es gestehen – zu einer gewissen Verzögerung meines Studienabschlusses führte. Wir fanden das damals spannend, wir fanden es nötig und es hat uns Spaß gemacht. Um Anrechnung auf das Studium ging es uns dabei nicht, das wäre damals auch nicht möglich gewesen.