Parteien zögern: Wackelt Wahlalter 16 in Berlin wegen Wahl-Chaos?
Die Koalition soll zusammen mit der FDP ihren Worten Taten folgen lassen und noch in diesem Jahr das Wahlalter in Berlin auf 16 Jahre senken - Wahlwiederholung hin oder her. Die Fraktionen von SPD, Grünen, Linken und FDP hatten sich auf das Vorhaben geeinigt, jetzt ist der Tatendrang ins Stocken geraten. Update 18.11.2022: Zu unserem offenen Brief.
Noch im April verkündeten SPD, Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und FDP öffentlichkeitswirksam, sie hätten sich erfolgreich über die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre in Berlin noch in diesem Jahr geeinigt. Dann kam die Sommerpause und jetzt steht eine Wiederholungswahl im Raum, die wie ein Schatten über der Wahlalterabsenkung liegt. „Es ist eine Jetzt-oder-Nie-Situation“, sagt unsere Vorsitzende Ramona Hinkelmann. „Nach der Wiederholungswahl wird es wohl keine Zweidrittelmehrheit für die Wahlalterabsenkung im Abgeordnetenhaus mehr geben. Wir ärgern uns maßlos, wie die Wahlalterabsenkung verschleppt wurde. Den Parteien scheint es offenbar nicht wichtig genug zu sein, jungen Berliner_innen mehr echte, demokratische Beteiligung zu ermöglichen.“
Insbesondere die FDP hat sich beim Thema zurückgezogen, da ihr eine Verfassungsänderung zum jetzigen Zeitpunkt heikel erscheint. Aber auch SPD und Grüne signalisieren, dass sie die Entscheidung gerne erst nach der Wiederholungswahl treffen würden. Damit ignorieren sie ihre eigenen Beschlusslagen. „Die Entscheidung zu verschieben ist in Wirklichkeit eine Entscheidung gegen die Wahlalterabsenkung“, sagt Hinkelmann. Das Wahlalter muss aus drei Gründen jetzt trotzdem noch abgesenkt werden:
- Aktuell haben die Pro-Wahlalter-16-Parteien eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, die es für die Änderung braucht. Nach den derzeitigen Umfragen ist es unwahrscheinlich, dass diese Mehrheit auch nach der Wiederholungswahl noch vorhanden ist. Wahlalter 16 in Berlin würde so für viele Jahre in weite Ferne rücken.
- Auch wenn die 16- und 17-Jährigen nach der Wahlalterabsenkung erst bei der Berlin-Wahl 2026 abstimmen können, so sind bis dahin eine Reihe Volksentscheide zu erwarten. Nur wer das Wahlrecht hat, darf auch daran teilnehmen.
- Wie sollen junge Menschen einer Politik vertrauen, die ihre groß angekündigten Versprechen derart unnötig aufs Spiel setzt, statt ihren Worten Taten folgen zu lassen?
Das bestehende Parlament kann weiter Gesetze verabschieden. Das hat das Berliner Verfassungsgericht in seiner vorläufigen Einschätzung deutlich gemacht. Das aktuelle Vorgehen der Parteien erweckt daher den Eindruck, Wahlalter 16 in Berlin sei lediglich „Nice to have“, aber nicht wirklich wichtig.
Es ist ein Schlag ins Gesicht der 90.000 16- und 17-jährigen, deren Vertrauen in die Politik leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird. SPD, Grüne, Linke und FDP sollten gegenüber den Jugendlichen gerade jetzt deutlich machen: Wir senken das Wahlalter trotz der erwarteten Wiederholungswahl. Denn wir brauchen eure Stimmen in Zukunft, weil ihr uns wichtig seid. Weil wir euch und eure Interessen ernst nehmen wollen – weil wir euch hören wollen.